Verteidigungsrede von Abdullah

Verteidigungsrede von Abdullah aus Münster am 24.06.2024. Den Bericht zum Gerichtsprozess findet ihr hier auf der Website von Palästina Antikolonial Münster.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Demonstration am 4. November waren friedlich. Es war die Polizei, die bereits zu Beginn der Demonstration eskalierte, indem sie einzelne Personen wegen Plakaten mit der Aufschrift „Stoppt den Genozid“ rauszog, Anzeige erstattete und Platzverweise ausstellte. Bei der Endkundgebung in der Stubengasse stürmten behelmte Polizisten in die Demonstration und nahmen gezielt Redner in Gewahrsam, ohne Vorwarnung und ohne Begründung. Dabei gingen die Polizisten brutal vor, sie traten und schubsten Demonstrationsteilnehmerinnen, und schlugen Menschen mit der Faust ins Gesicht, zum Beispiel auch meine Schwester. Auch ich wurde brutal in Gewahrsam genommen, ohne irgendeine Begründung zu bekommen. Ich bin das Opfer von Polizeigewalt geworden. Trotzdem sitze ich jetzt auf der Anklagebank, und nicht die verantwortlichen Polizeibeamten.

Durch den Polizeieinsatz wurde das rassistische Bild von gewalttätigen und kriminellen Ausländern, vor allem Palästinensern und Arabern, reproduziert. Auf rechten Social-Media-Accounts wurden Videos von der Demonstration über hunderttausend Mal angeklickt und tausendfach geteilt. Die Videos dienen den Rechten als Bestätigung für die vermeintliche Islamisierung Deutschlands, sie fordern die Deportation von Immigranten. Die Szenen, die in den Videos zu sehen sind, wie sich wütende Demonstranten und behelmte Polizisten gegenüberstehen, sind einzig und allein dadurch entstanden, dass die Polizei auf rücksichtslose und gewaltsame Weise eskaliert hat.

In den ersten Wochen und Monaten nach dem 7. Oktober und der darauf folgenden Flächenbombardierung Gazas wurden in Berlin ganze Stadtteile durch die Polizei belagert, jegliche palästinensische Symbole wurden kriminalisiert. Unsere Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit wurden massiv eingeschränkt, zum Teil ganz aufgehoben. Die Polizeistrategie ist dabei klar politisch motiviert gewesen. Das Innenministerium gab vor, welche Parolen kriminalisiert werden sollten, obwohl es zum Teil schon Gerichtsurteile aus den vergangenen Jahren gab, die genau diese Parolen als nicht strafrechtlich relevant eingestuft hatten. An vielen Orten gingen Menschen gegen die Auflagen und Versammlungsverbote vor Gericht. Die Gerichte entschieden meist, dass die Auflagen und Verbote rechtswidrig waren. Auch in Münster war die Polizeistrategie politisch motiviert. Alleine hier wurden in den ersten Wochen über 30 Anzeigen ausgestellt, die alle fallengelassen wurden. Obwohl die Anzeigen fallengelassen wurden, wurde dadurch großer Schaden angerichtet: Menschen trauten sich nicht mehr auf die Demonstrationen, aus Angst vor Repression und Gewalt oder aus Angst, Probleme mit der Ausländerbehörde oder dem Arbeitgeber zu bekommen. Jugendliche, die sich für ein Ende der Massaker am palästinensischen Volk einsetzen wollten, wurden von ihren Eltern unter Druck gesetzt, nicht zu den Demos und Kundgebungen zu gehen, weil die Eltern Angst um sie hatten. Wie so viele andere Menschen in den letzten Monaten, bin ich bin das Opfer politischer motivierter Gewalt durch den Staat geworden.

Der große Skandal ist, dass ich hier auf der Anklagebank sitze und nicht die Polizisten und Polizistinnen, die Gewalt und Repression durchsetzen oder die Politiker und Politikerinnen, die sich Strategien zur Einschüchterung und Zerschlagung legitimer Proteste gegen den Völkermord in Gaza ausdenken und deren Politik die Massaker gegen das palästinensische Volk mit ermöglicht.

Ich erwarte nicht, hier freigesprochen zu werden, obwohl ich unschuldig bin. Ich möchte aber, dass Sie wissen, dass viele Menschen in diesem Land das Vertrauen in diesen Staat und seine Institutionen verloren haben, weil sie sehen, wie Menschen kriminalisiert werden und Gewalt erfahren, nur weil sie sich für Menschenrechte einsetzen, gegen Krieg und für ein Ende der Massaker gegen das palästinensische Volk. Ich bin weiterhin überzeugt davon, dass ich nichts falsch gemacht habe.

Das palästinensische Volk hat ein Recht auf ein Leben in Freiheit und Selbstbestimmung. Israel nimmt ihnen dieses Recht seit über 75 Jahren. Das höchste Gericht der Welt, der internationale Gerichtshof, hält es für plausibel, dass das Vorgehen Israels gegen die Palästinenser in Gaza als Genozid eingestuft werden muss. Deshalb möchte ich zum Schluss sagen: Nie wieder gilt für alle!
Stoppt den Genozid in Gaza!

Verteidigungsrede von Karim

Verteidigungsrede von Karim aus Münster, der wegen einer Faust in Palästina-Farben in Berlin angeklagt war. Der Prozess führte zu einem Freispruch.

Sehr geehrte Frau Richterin und liebe Mitmenschen,

heute sitze ich hier zu unrecht auf der Anklagebank. Aber weswegen? Wegen einer Fahne, auf der eine Faust abgebildet ist!

Am 27.01.2024 habe ich mich mit Freunden und Familie auf den Weg nach Berlin gemacht, um gegen den Gaza Genozid, Besatzung, Apartheid und den Tod von tausenden Palästinensern und Palästinenserinnen zu demonstrieren. Wir sind auf die Straße gegangen, um friedlich zu demonstrieren, bis mich dann mehrere Polizisten entführt haben. Ich war zutiefst erschrocken, da wir doch eigentlich in einer Demokratie leben, in der wir unsere Meinung äußern dürfen. Aber anscheinend gilt dieses Recht nicht für alle. Zumindest nicht für diejenigen, die auf der richtigen Seite stehen und für Frieden demonstrieren. Viel schlimmer finde ich, dass es wirklich wegen der Faust war.

Wir haben in diesem Land mit Sicherheit ganz andere Probleme. Es kann nicht sein, dass die
wahren Verbrecher davon kommen und Demonstrierende für jeden Blödsinn angeklagt werden. Sei es in Münster, in Berlin oder sonst wo in der Republik. Stattdessen sollten wir alle unsere Augen öffnen und schauen, wer wirklich Verbrechen ausübt. Unser Bundeskanzler Olaf Scholz und unsere Außenministerin Annalena Baerbock, die mit ihren Waffenlieferungen an Israel mitverantwortlich sind für Kriegsverbrechen und Völkermord. Sie sollten eigentlich schon lange auf der Anklagebank sitzen. Deutschland spricht immer von „Nie wieder“, aber unterstützt mit unseren Steuergeldern einen Völkermord. So viel zum Thema „Nie wieder“. Gegen Israels Premierminister Netanjahu wurde ein Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen erlassen. Wer seine rechte Regierung unterstützt, unterstützt Kriegsverbrecher. Unsere Regierung darf solche Werte auf keinsten unterstützten, und doch tut sie es. Ich schäme mich zutiefst für das Land, in dem ich geboren und aufgewachsen bin. Ich unterstütze diese Werte nicht und wieso nicht? Weil ich die Werte der Menschen respektiere. Es spielt keine Rolle woher man kommt. Ob Muslim, Jude oder Christ, Menschenrecht ist Menschenrecht. Die Menschen in Palästina verdienen dieses Recht und diesen Respekt und wir dürfen sie nicht vergessen. Mit Stolz sage ich Ihnen jetzt und hier, dass ich weiter demonstrieren werde, dass ich weiterhin das Richtige tun werde, dass ich weiterhin mir das Recht nehme, für die Freiheit anderer Menschen zu kämpfen. Ich lasse nicht zu, dass man mich zum Schweigen bringt, denn eines Tages wird die Wahrheit siegen und dafür werde ich so wie viele tausende Genoss:innen mitverantwortlich sein. Denn nur gemeinsam können wir eine Faust bilden und gegen Hass und Rassismus kämpfen!

Dankeschön.

Bericht: Das zweite bundesweite Treffen des Kufiya Netzwerks

Vom 24. bis 26. Januar 2025 fand das zweite Präsenztreffen des Kufiya Netzwerks mit 54 Delegierten von 30 Organisationen in Leipzig statt. Nach über 15 Monaten galt es unsere Arbeit in der Palästinabewegung kritisch zu reflektieren und unsere Arbeit zu fokussieren. Wir haben im vergangenen Jahr gemerkt, dass die Vernetzung im Kufiya Netzwerk dabei hilft, gezielt Aufmerksamkeit auf bestimmte Themen zu lenken, wie z.B. durch die Aktionswochen zum 7. Oktober (46 Aktionen und Veranstaltungen in 14 Städten) und zum Tag der palästinensischen Gefangenen (26 Aktionen und Veranstaltungen in 14 Städten). 

An diesem Wochenende sollte es nun darum gehen, eine gemeinsame Orientierung für die mittlerweile 100 Organisationen der Palästinabewegung zu diskutieren, die Teil des Netzwerks sind. Wir nahmen dafür drei zentrale Initiativen aus der Bewegung in den Blick:

  • Shut Elbit Down, eine Kampagne gegen den Rüstungskonzern Elbit Systems, der von der militärischen Besatzung Palästinas profitiert.
  • Die BDS-Kampagne (Boycott, Divestment, Sanctions), die weltweit zum Boykott von Unternehmen aufruft, die von der israelischen Besatzung profitieren.
  • Der Rechtshilfefonds 3ezwa, der Menschen unterstützt, die im Zusammenhang mit Aktivitäten in der Solidaritätsbewegung mit Palästina von Repressionen betroffen sind.

Wir haben im Anschluss zwei zentrale Arbeitsschwerpunkte für das Kufiya Netzwerk für die kommende Zeit definiert:

  1. BDS-Kampagne/Waffenembargo: Wir stellen uns gegen die Dämonisierung und Bedrohung der BDS-Kampagne in Deutschland. Wir wollen den Boykott von Unternehmen und Institutionen, die mit der israelischen Besatzung zusammenarbeiten, voranbringen und Druck auf Institutionen ausüben, damit sie ihre Zusammenarbeit mit dem Apartheidsregime beenden. Deutsche Konzerne wie Siemens sind wichtige Ziele der BDS-Kampagne. Ein besonderer Fokus ist auch der Kampf gegen Waffenlieferungen an Israel, wobei wir u.a. die Zusammenarbeit deutscher Universitäten mit Rüstungsunternehmen sowie die deutschen Standorte des wichtigsten israelischen Waffenherstellers Elbit Systems in den Blick nehmen.
  2. Antirepression: Dazu gehören die Verbreiterung und Unterstützung des Rechtshilfefonds 3ezwa sowie der koordinierte Kampf gegen Vereinsverbote, insbesondere in Bezug auf Palästina Solidarität Duisburg und Samidoun.

Mit diesen gemeinsamen Schwerpunkten in unserer Arbeit wollen wir als Bewegung schlagfertiger werden. Wir diskutierten außerdem über den palästinensischen Widerstand, um Einigkeit und Differenzen, die über das Gründungsstatement des Kufiya Netzwerks hinaus gehen, zu erkennen. Neben den inhaltlichen Diskussionen wurden auch die organisatorischen Strukturen des Netzwerks überarbeitet und Verantwortungen neu verteilt. 

Es wurde deutlich, dass das Netzwerk immer mehr zu einer arbeitenden Struktur wird, die in der Lage ist, kollektiv zu handeln. Der Aufbau dieser Strukturen bedeutet zwar Arbeit, die gerade für viele kleine, neue Solidaritätsgruppen herausfordernd ist. Gleichzeitig ist der Bedarf nach bundesweitem Austausch, Vernetzung und praktischer Solidarität sehr groß. Deswegen wollen wir die Koordination untereinander weiter verbessern und noch mehr Teile der Bewegung aktiv in die Arbeit mit einbeziehen. Als isolierte kleine Gruppen reiben wir uns schnell auf und werden leicht zerschlagen – geeinigt sind wir stärker.

Es liegt viel Arbeit vor uns. Packen wir es an – für die Befreiung Palästinas!

Das Kufiya Netzwerk ist ein offenes Netzwerk von Gruppen und Einzelpersonen, die sich für die Befreiung Palästinas und demokratische Grundrechte in Deutschland einsetzen. 100 Organisationen und 22 Einzelpersonen sind Teil des Netzwerks. Wir treffen uns monatlich online und halbjährlich in Präsenz. Gemeinsam planen wir bundesweite Aktionen, tauschen Wissen und Ressourcen aus und stehen geeint gegen Repressionen, die Einzelpersonen und Gruppen der Palästinabewegung betreffen.

Wir erneuern hiermit unseren Aufruf zur Unterzeichnung des Statements und laden euch ein, euch damit auch aktiv ins Netzwerk einzubringen: https://kufiya-netzwerk.de/statement/

Solidarität mit Palästina-Aktivisten aus Hessen: Sie werden uns nicht zum Schweigen bringen!

Statement des Kufiya-Netzwerks vom 22.01.2025:

Heute Morgen (22. Januar) wurden Wohnungen von neun Palästina-solidarischen Aktivistinnen und Aktivisten in Frankfurt am Main und Umgebung durchsucht. Die Durchsuchungen wurden im Zusammenhang mit laufenden Ermittlungen zwecks Verbots des bereits im November 2024 aufgelösten Vereins „Palästina e.V.“ begründet. 73 (!) Polizeibeamte aus Frankfurt und anderen Teilen Hessens wurden dabei eingesetzt. 

Der Verein Palästina ist nicht verboten! Laut Presse wurde gegen den Palästina e.V. bereits 2023 ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die heute durchgeführten Maßnahmen wurden vom Verwaltungsgericht Frankfurt abgelehnt. Es musste das Hessische VG Kassel angerufen werden, was die Hausdurchsuchungen dann bewilligte. Das zeigt uns, dass auch die Behörden Schwierigkeiten haben, die vorgelegten Begründungen für ein Vereinsverbot zu legitimieren.

Das Absurde dabei: Der Verein wurde von den Mitgliedern bereits am 14. November 2024 aufgelöst. In ihrer Auflösungserklärung schrieben sie: „Wenn ihr gedacht habt, dass wir wie die Kaninchen vor der Schlange auf euren nächsten Übergriff warten, dann habt ihr euch getäuscht! Ihr wolltet unseren Verein verbieten? Den gibt es nicht mehr! Der Verein Palästina hat sich aufgelöst!“ Für die ehemaligen Mitglieder bedeutete dieser Schritt keineswegs den Rückzug in die Untätigkeit. Sie betonten: „Vor uns liegt eine Zeit erhöhter Aktivität und jede und jeder Einzelne von uns ist voller Tatendrang! Wir nehmen uns unser Recht auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit! Wir nehmen unsere Rechte, wann, in welcher Form und mit wem wir es wünschen!“. 

Schon lange sind die verschiedenen Frankfurter Aktiven, die seit Jahren über die Geschichte Palästinas aufklären, mit Kulturfesten die Bewegung und Community organisieren und lautstark und mit hoher Aktivität Protest auf die Straßen tragen, den deutschen Zionisten ein Dorn im Auge.

Die heutigen Repressionen reihen sich ein in die anhaltende Welle an antidemokratischen Maßnahmen der Regierung und Behörden. Die Verbote von Samidoun und der Palästina Solidarität Duisburg (PSDU), aber auch das Verbot gegen das islamische Zentrum in Hamburg und Frankfurt.

Wieder einmal wird denen Antisemitismus vorgeworfen, die eigentlich dagegen kämpfen. Es werden die kriminalisiert, die sich für ein Ende des Mordens und der Unterdrückung einsetzen, während die eigentlichen Täter, die Hass und Hetze verbreiten, Waffen liefern und einen Genozid betreiben, es weiterhin gemütlich haben.

Während die Westbank brennt und Gaza in Trümmern liegt, tut die Bundesrepublik weiter alles dafür, Opposition zu ihrem Kriegskurs zum Schweigen zu bringen und die deutsche Gesellschaft auf Genozid einzuschwören.

Der massive Abbau von Grundrechten soll ihre Komplizenschaft an der zionistischen Barbarei verbergen.

Damit kommen sie nur durch, wenn wir schweigen und uns spalten lassen. Deshalb sagen wir klar:

Der Angriff auf den Palästina e.V. ist ein Angriff auf uns alle!

Gegen ein drohendes Verbot des Palästina e.V. und BDS Deutschland!

Weg mit den Verboten von Samidoun und PSDU!

Wir werden zu Palästina nicht schweigen!

Wir lassen uns nicht einschüchtern!

Zeigt euch solidarisch und bleibt laut!

Wir spiegeln an dieser Stelle die vollständige, am 16. November 2024 veröffentliche Auflösungserklärung des Vereins „Palästina e.V.“: 

Verteidigungsrede von Paul

Vor dem Frankfurter Amtsgericht gegen die Anklage der „Billigung von Straftaten“ nach §140 StGB (20.11.24)

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Paul wurde wegen angeblicher Billigung von Straftagen nach §140 angeklagt, weil er in einer spontan gehaltenen Rede gesagt hat, dass die Palästinenser eine Inspiration sind und der palästinensische Widerstand legitim ist. Paul hat sich dazu bekannt, diese Aussagen getätigt zu haben und verteidigt sie als wichtigen Ausdruck der Solidarität mit Palästina und des Kampfs gegen den damals begonnenen Genozid an den Palästinensern. Er verteidigt sein und unser aller Recht auf Meinungsfreiheit. Er wurde zu 40 Tagessätzen a 20 Euro verurteilt und Berufung gegen das Urteil eingelegt, um den Kampf für Meinungsfreiheit in Deutschland und für die legitimen Rechte der Palästinenser auf Freiheit und Widerstand fortzusetzen.

In seiner Verteidigungsrede ging Paul ausführlich auf die Fragwürdigkeit des Tatvorwurfs seitens der Staatsanwaltschaft ein, die erst wegen Volksverhetzung, dann wegen Androhung von Straftaten und schließlich wegen der Billigung von Straftaten anklagte. Danach ging er auf den Vorwurf der Billigung von Straftaten ein und welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen. Hierbei ist wichtig, dass eine politische Bewertung eines Ereignisses wie des 7. Oktobers oder anderer bewaffneter Konflikte möglich sein muss, ohne dafür den Vorwurf der Billigung von Straftaten gemacht zu bekommen. Sonst wäre jede Äußerung zu Konflikten nicht mehr möglich. Danach geht die Rede auf die Geschichte der Vertreibung des palästinensischen Volks und insbesondere des krassen Unrechts, das von der Besatzungsmacht Israel ausgeübt wird. Danach wird auf völkerrechtliche Bestimmungen zum Widerstandsrecht kolonisierter Völker eingegangen. Im letzten Teil geht die Rede auf den 7. Oktober ein, welche Vorgänge ungeklärt sind, welche Rolle die Hannibal-Doktrin spielt und was Paul mit seinen Aussagen zur Inspiration und zur Legitimation des palästinensischen Widerstands gemeint hat. Richterin und Staatsanwältin sind mit keinem Wort auf die Inhalte der Rede eingegangen.

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Verteidigungsrede von Leon

Vor dem Duisburger Amtsgericht gegen die Anklage der „Billigung von Straftaten“ nach §140 StGB (10.04.2024).

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In seiner Rede geht er zunächst auf den Begriff „Intifada“ und die Geschichte des palästinensischen Befreiungskampfs ein. Danach behandelt er die Parole „From the River to the Sea“ und die verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten der Parole, wobei er auch klar stellt, was seine persönliche Interpretation ist: ein säkularer und demokratischer Staat in Palästina, in dem alle Bürger gleichberechtigt sind. Im vierten Teil geht er auf den 7. Oktober ein und warum das Framing dieses Ereignisses als „Terroranschlag“ der Kriminalisierung und Einschränkung der Meinungsfreiheit dient. In seinem Schlussplädoyer geht Leon sehr pointiert auf die falschen Behauptungen des Richters ein und kritisiert insbesondere, dass so getan werde, als sei es kein politisches Verfahren.

Leon wurde von der Duisburger Polizei und der Duisburger Staatsanwaltschaft der „Billigung von Straftaten“, konkret der „Billigung von Morden“ an „zivilen israelischen Staatsbürgern“, bezichtigt. Sie begründen dies mit der Tatsache, dass Leon am 9. Oktober 2023 auf einer Demo in Duisburg die Parolen „Von Duisburg bis nach Gaza – Yalla Intifada!“ und „From the River to the Sea – Palestine will be free!“ angestimmt hat.

Vor Gericht hat Leon sich dazu bekannt, diese Parolen gerufen zu haben und er hat dies auch politisch begründet. Zugleich hat er den Vorwurf der „Billigung von Straftaten“ entschieden zurückgewiesen, dargelegt, wie haltlos diese Anschuldigungen sind, und erläutert, wieso es sich bei seiner Anklage um eine Form der politischen Repression gegen ihn und letztlich die gesamte Palästinasolidaritätsbewegung in Deutschland handelt. Zudem hat er erklärt, wieso er überzeugt ist, sich dabei auf die Meinungsfreiheit, das Völkerrecht und auf moralische Grundsätze berufen zu können.

Leon wurde in erster Instanz zu einer Geldstrafe über 900 Euro und 60 Tagessätzen verurteilt. Er geht in Berufung und setzt damit den Kampf für die Meinungsfreiheit in Deutschland und für die legitimen Rechte der Palästinenser auf Freiheit und Widerstand vor Gericht fort.

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1 Jahr Samidoun-Verbot – 1 Jahr Angriffe auf unsere Grundrechte

Heute vor einem Jahr wurde das international aktive Solidaritätsnetzwerk für palästinensische Gefangene Samidoun vom Bundesinnenministerium unter Leitung von Nancy Fieser (SPD) verboten. Dieses Verbot war Wochen zuvor bereits angekündigt worden und hatte einen noch längeren Vorlauf: Über Jahre hetzten Politiker, einflussreiche Medien und zionistische Lobbyorganisationen gegen die Organisation und forderten lange vor dem 7. Oktober 2023 ihr Verbot. Der Grund: Samidoun war laut, kämpferisch, stellte sich hinter den palästinensischen Widerstand in all seinen Formen und repräsentierte eine zumeist aus der arabischen Diaspora nach Deutschland gekommene Generation junger Palästinenser – und das alles auch noch in der Bundeshauptstadt Berlin. Diese Kraft konnte und wollte man angesichts der Lage in Palästina und der nach dem 7. Oktober aufkommenden Bewegung in Deutschland nicht länger dulden. Sie musste zerschlagen werden!

Versagen der Bewegung

Das Samidoun-Verbot muss rückblickend auch als ein Testballon gewertet werden: Die staatlichen Repressionsorgane probierten aus, wie die Palästinasolidaritätsbewegung reagieren würde, wenn man eine der bekanntesten und aktivsten palästinensischen Gruppen kurzerhand verbietet. Die Reaktion muss für sie ermutigend gewesen sein: Die Bewegung reagierte fast gar nicht. Abgesehen von einigen Stellungnahmen und vereinzelten Kundgebungen blieb es komplett ruhig. Dass zu dem Zeitpunkt der Genozid in Gaza bereits voll im Gange war und das Verbot einer Organisation in Deutschland demgegenüber weniger wichtig erschien, mag ein Teil der Wahrheit sein. Eine Entschuldigung für das Schweigen der Bewegung ist es aber nicht. Wir wissen außerdem, dass auch Angst vor Repression und Kontaktschuld sowie Vorbehalte wegen Kritik an den Positionen und dem Auftreten von Samidoun eine wichtige Rolle gespielt haben.

Folgen für uns alle

Mit den Folgen müssen wir seither leben: Mit Samidoun wurde ein wichtiger Akteur in der internationalen Bewegung hierzulande illegalisiert. Der Staat hat außerdem seitdem massiv in unser aller Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit eingegriffen. Bei Verboten von Parolen und Anzeigen wurde dabei nicht zuletzt auf vermeintliche Kontakte zu oder angebliche Symbole von Samidoun verwiesen.

Ein halbes Jahr nach Samidoun wurde die Gruppe Palästina Solidarität Duisburg (PSDU) verboten – nicht zuletzt unter Verweis auf deren Kontakte und Solidaritätsbekundungen mit Samidoun. Hier hat sich der Staat noch weiter vorgewagt, denn er konnte sich bei PSDU weder auf eine jahrelange Vorarbeit noch auf angebliche Verbindungen zu palästinensischen Widerstandsorganisationen stützen.

Folgen für Betroffene

Aber nicht nur die Bewegung leidet unter dem Samidoun-Verbot. Faesers öffentlich inszeniertem Verbot folgten Hausdurchsuchungen, bei denen die Betroffenen von der Polizei misshandelt wurden. Die Medien waren bei diesen Durchsuchungen vor Ort und hetzen auch weiterhin immer wieder gegen ehemalige Aktive von Samidoun. Im Internet denunzieren außerdem zionistische Gruppen und Einzelpersonen politisch aktive Palästinenser als angebliche ehemalige oder gar weiterhin aktive (!) Samidoun-Mitglieder.

Personen, denen vorgeworfen wird, für Samidoun aktiv gewesen zu sein, oder die sich dazu auch bekennen und die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, erleben seither massive rassistische Schikane: von Kontaktverboten bis hin zu drohenden Abschiebungen. Selbst Menschen, die nie etwas mit Samidoun zu tun hatten, werden im Zuge ihres Einbürgerungsverfahrens nach möglichen Kontakten und nach ihrer Haltung zu Samidoun befragt.

Das Samidoun-Verbot war ein Angriff auf uns alle:
Auf die Betroffenen.
Auf die palästinasolidarische Bewegung in Deutschland.
Auf alle Menschen ohne deutschen Pass, die solidarisch mit Palästina sind.
Und auf die Grundrechte aller in Deutschland lebenden Menschen.

Wir stehen solidarisch an der Seite der Betroffenen in ihrem Kampf gegen das Verbot und die rassistische Repression! Sie wollen uns spalten, aber wir rücken immer mehr zusammen!

Freiheit für Palästina! Demokratie für Deutschland! Weg mit
allen Verboten gegen die Palästinasolidarität!

Aufruf des Kufiya-Netzwerks zur Aktionswoche vom 30.09. – 07.10.

Aufruf und Kontext als PDF
Aufruf als PDF
Historischer Kontext als PDF

Über 100 Jahre zionistischer Siedlerkolonialismus in Palästina, 56 Jahre israelische Besatzung des Gaza-Streifens, 16 Jahre grausame Blockade gegen Gaza und wiederholte Bombardierungen seit 2008 gehen dem 7. Oktober voraus. Vor allem westliche Medien geben ihr Bestes, diesen Kontext auszublenden und stattdessen die Propaganda der israelischen Besatzung zu verbreiten.

Seit dem 7. Oktober 2023 wurde die Vertreibung und Massakrierung, die die Besatzungsmacht seit der Nakba von 1948 gegen das palästinensische Volk ausübt, auf ihr bisher höchstes Eskalationslevel gehoben. Das verdeutlicht, dass es dem siedlerkolonialen Staat um die Auslöschung des palästinensischen Volks geht. Mindestens 40.000 Menschen wurden durch die Bombardierungen getötet und ca. 200.000 durch Hunger, Krankheiten und fehlende medizinische Versorgung, alles Folgen der israelischen Vernichtungsblockade.

Gleichzeitig wurde ein Propagandakrieg gestartet: Der 7. Oktober wurde als geschichtslos dargestellt, seine Einordnung in den historischen Kontext verweigert und längst widerlegte Lügen über Gräueltaten palästinensischer Kämpfer werden bis heute verbreitet, um Palästinenser*innen zu entmenschlichen, ihren Widerstand zu delegitimieren und letztendlich den Genozid in Gaza zu rechtfertigen.

Deutschland unterstützt den Völkermord durch seine Außen- und Innenpolitik. Nach außen zeigt sich die Komplizenschaft in Waffenlieferungen und politischer Unterstützung für Israel. Im Inneren führt Deutschland eine massive Repressionskampagne gegen palästinasolidarische Proteste und Organisationen. Willkürliche Verhaftungen, Polizeigewalt, staatliche Überwachung, politische Kündigungen, Hausdurchsuchungen, das Verbot von Organisationen, die Sperrung von Bankkonten, die Repression an den Universitäten und die gleichgeschaltete Medienberichterstattung sind unübersehbarer Ausdruck der kolonialen Kontinuität des Staates und gesellschaftlicher Institutionen.

Wir können nicht tatenlos einem Genozid zuschauen, noch weniger wollen wir uns indirekt daran beteiligen. Die israelische Besatzung zerstört sämtliche Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser, Wohngebiete, und jegliche Infrastruktur, die als Lebensgrundlage der Palästinenser*innen dient. Ihr Ziel ist die Auslöschung Gazas von den Karten und die Vernichtung des palästinensischen Volks.

Wir rufen als Kufiya Netzwerk palästinensische und palästina-solidarische Gruppen und Strukturen bundesweit dazu auf, in der Woche vom 30. September bis 7. Oktober 2024 auf die Straßen zu gehen und Aktionen zu organisieren.

Wir wollen uns darauf konzentrieren, den 7. Oktober in seinen historischen Kontext einzubetten und die desinformierende Rolle deutscher Medien aufzeigen. Wir stellen uns gegen die Verbreitung von Falschinformationen und die Relativierung israelischer Kriegsverbrechen durch deutsche Medien und Politik.

Für die Aktionswoche bieten wir euch Infomaterialien und Aktionsvorschläge an und fordern alle solidarischen Gruppen und Menschen auf, sich uns für die Aktionswoche und darüber hinaus anzuschließen! Als breite, geeinte Bewegung stehen wir gegen Genozid, für ein Ende der Besatzung und ein freies Palästina. Viva, Viva Palästina!

Es begann nicht am 7. Oktober – 76 Jahre Genozid

Aufruf des Kufiya-Netzwerks zur Aktionswoche vom 30.09. – 07.10. – mit historischem Kontext

Aufruf und Kontext als PDF
Aufruf als PDF
Historischer Kontext als PDF

Über 100 Jahre zionistischer Siedlerkolonialismus in Palästina, 56 Jahre israelische Besatzung des Gaza-Streifens, 16 Jahre grausame Blockade gegen Gaza und wiederholte Bombardierungen seit 2008 gehen dem 7. Oktober voraus. Vor allem westliche Medien geben ihr Bestes, diesen Kontext auszublenden und stattdessen die Propaganda der israelischen Besatzung zu verbreiten.

Seit dem 7. Oktober 2023 wurde die Vertreibung und Massakrierung, die die Besatzungsmacht seit der Nakba von 1948 gegen das palästinensische Volk ausübt, auf ihr bisher höchstes Eskalationslevel gehoben. Das verdeutlicht, dass es dem siedlerkolonialen Staat um die Auslöschung des palästinensischen Volks geht. Mindestens 40.000 Menschen wurden durch die Bombardierungen getötet und ca. 200.000 durch Hunger, Krankheiten und fehlende medizinische Versorgung, alles Folgen der israelischen Vernichtungsblockade.

Gleichzeitig wurde ein Propagandakrieg gestartet: Der 7. Oktober wurde als geschichtslos dargestellt, seine Einordnung in den historischen Kontext verweigert und längst widerlegte Lügen über Gräueltaten palästinensischer Kämpfer werden bis heute verbreitet, um Palästinenser*innen zu entmenschlichen, ihren Widerstand zu delegitimieren und letztendlich den Genozid in Gaza zu rechtfertigen.

Deutschland unterstützt den Völkermord durch seine Außen- und Innenpolitik. Nach außen zeigt sich die Komplizenschaft in Waffenlieferungen und politischer Unterstützung für Israel. Im Inneren führt Deutschland eine massive Repressionskampagne gegen palästinasolidarische Proteste und Organisationen. Willkürliche Verhaftungen, Polizeigewalt, staatliche Überwachung, politische Kündigungen, Hausdurchsuchungen, das Verbot von Organisationen, die Sperrung von Bankkonten, die Repression an den Universitäten und die gleichgeschaltete Medienberichterstattung sind unübersehbarer Ausdruck der kolonialen Kontinuität des Staates und gesellschaftlicher Institutionen.

Wir können nicht tatenlos einem Genozid zuschauen, noch weniger wollen wir uns indirekt daran beteiligen. Die israelische Besatzung zerstört sämtliche Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser, Wohngebiete, und jegliche Infrastruktur, die als Lebensgrundlage der Palästinenser*innen dient. Ihr Ziel ist die Auslöschung Gazas von den Karten und die Vernichtung des palästinensischen Volks.

Wir rufen als Kufiya Netzwerk palästinensische und palästina-solidarische Gruppen und Strukturen bundesweit dazu auf, in der Woche vom 30. September bis 7. Oktober 2024 auf die Straßen zu gehen und Aktionen zu organisieren.

Wir wollen uns darauf konzentrieren, den 7. Oktober in seinen historischen Kontext einzubetten und die desinformierende Rolle deutscher Medien aufzeigen. Wir stellen uns gegen die Verbreitung von Falschinformationen und die Relativierung israelischer Kriegsverbrechen durch deutsche Medien und Politik.

Für die Aktionswoche bieten wir euch Infomaterialien und Aktionsvorschläge an und fordern alle solidarischen Gruppen und Menschen auf, sich uns für die Aktionswoche und darüber hinaus anzuschließen! Als breite, geeinte Bewegung stehen wir gegen Genozid, für ein Ende der Besatzung und ein freies Palästina. Viva, Viva Palästina!

Die Geschichte von 76 Jahren Vertreibung und Kolonisierung

Der 7. Oktober kann nicht außerhalb des Kontexts jahrzehntelanger Gewalt in Palästina und insbesondere Gaza – dem größten Freiluftgefängnis der Welt – gesehen werden.

Im Zuge der Gründung Israels 1948 wurden über 800.000 Palästinenser vertrieben, getötet, inhaftiert, Opfer von Gewalt und Vergewaltigung. Palästinenser bilden seitdem die größte Flüchtlingsgruppe (prozentual zur Bevölkerung). Die Nakba, wie die Palästinenser dieses Ereignis nennen, bedeutet heute: 76 Jahre ethnische Säuberung, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Apartheid und Willkür. Israel ist damit seit seiner Staatsgründung eine Siedlerkolonie, die sich nur aufgrund der anhaltenden Unterdrückung bis heute gehalten hat. Nahezu 75 Prozent der heutigen Bewohner Gazas wurden 1948, während der Nakba vertrieben und sind damit Flüchtlinge aus ganz Palästina sowie deren Nachfahren. Israel verweigert ihnen das Recht auf Rückkehr, das durch die Resolution 194 der UN-Generalversammlung im Jahr 1948 anerkannt und 1974 mit der Resolution 3236 als unveräußerlich beschlossen wurde.

Blockade Gazas seit 2007

Seit den 90er Jahren schränkt Israel die Bewegungs- und Handelsfreiheit der Bevölkerung Gazas massiv ein. Diese Einschränkungen wurden ab 2007 massiv verschärft, als Israel eine völkerrechtswidrige Land-, See- und Luftblockade über den Gazastreifen verhängte, die vom ägyptischen Regime unterstützt wird. Diese Blockade führte zur Zerstörung der Wirtschaft und Infrastruktur in Gaza. Gazas Bauern haben gerade einmal Zugang zu einem Drittel des Ackerlandes. Fischer dürfen nur in 15 Prozent der Gewässer fischen. Die Bevölkerung Gazas erhielt fortan nur so viele Kalorien, dass sie gerade überleben konnte. Niemand kann ohne israelische Genehmigung in den Gazastreifen ein- oder ausreisen. Eine sechs Meter hohe Mauer und Sperranlage umgibt Gaza. 

Hunger als Waffe der Besatzungsmacht

Bereits 2012 warnte ein UN-Bericht mit dem Titel “GAZA IN 2020 – A liveable place?” davor, dass das Gebiet bis 2020 unbewohnbar werden würde: Das Vorenthalten lebensnotwendiger Güter durch die israelische Besatzung, führe laut UNCAT (2015) dazu, dass Gaza ab 2020 als unbewohnbar einzustufen sei. Ein entscheidender Faktor ist die katastrophale Wasserversorgung. Israel kontrolliert seit 1967 die gesamte Wasserinfrastruktur Gazas. Trinkwasser wurde durch die Besatzungsmacht absichtlich kontaminiert und ein Großteil ist heute ungenießbar. Israel nutzt die Kontrolle über Nahrungsmittel und insbesondere Wasser als Druckmittel gegen Gazas Bevölkerung. Dieser stehen täglich 20 – 35 Liter Wasser pro Person zur Verfügung. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt mindestens das Dreifache zum Überleben. In Israel hingegen liegt der Wasserverbrauch pro Person bei über 300 Litern pro Tag. 90 % des Wassers fließen an israelische Kolonialsiedler, nur 10 % gelangen nach Gaza und ins Westjordanland. Die Menschen in Gaza leiden seit mindestens 2008 unter Hunger, da die Einfuhr von UN-Hilfslieferungen streng reglementiert wird. Israel schätzt den Kalorienbedarf der palästinensischen Bevölkerung und lässt nur die Einfuhr einer genehmigten Menge an Lebensmittellieferungen zu. Die Situation seit dem 7. Oktober hat sich extrem verschärft.

2020 erfüllten sich die warnenden Prognosen. Mehr als eine halbe Million der 2,3 Millionen Einwohner lebten unter der absoluten Armutsgrenze. Fast eine Million waren auf UN-Lieferungen angewiesen. 90 % des „Trinkwassers“ in Gaza waren ungenießbar. Strom gab es nur für zwei bis vier Stunden am Tag, was die Lagerung von Lebensmitteln und Medikamenten unmöglich machte. Die Gesundheitsversorgung brach zusammen, und selbst einfach zu behandelnde Krankheiten breiteten sich aus.

USA als Schutzpatron von Annexion und Apartheid

Auch die geopolitische Lage verschärfte die Situation in Palästina. Am 6. Dezember 2017 erkannte die USA unter Präsident Trump Jerusalem als unbegrenztes Hoheitsgebiet Israels an und verlegte die US-Botschaft nach Jerusalem. Das Generalkonsulat und die diplomatische Mission nach Palästina wurden aufgelöst. Vier weitere Staaten folgten dem Beispiel. 2019 erkannten die USA zudem die israelische Annexion der Golanhöhen an. Dieses Vorgehen offenbart die wahren Absichten der Supermacht, die sich als Hauptvermittler im sogenannten “Nahost-Friedensprozess” darstellt. Nach dem Völkerrecht ist Palästina weiterhin unter illegaler israelischer Besatzung. Israels Status als Apartheidsregime wurde jüngst vom Internationalen Gerichtshof (IGH) bestätigt. Mit den “Abraham Accords” im Jahr 2020 wurde ein Vertrag zur „Normalisierung“ von Beziehungen arabischer Staaten mit Israel abgeschlossen, was die diplomatische Unterstützung für palästinensische Ansprüche auf ihr eigenes Land beendete.

Massaker an friedlichen Protesten 2018

Zwischen März 2018 und Dezember 2019 demonstrierten tausende Palästinenser wöchentlich an der illegalen „Iron Wall“, die Gaza vom Rest Palästinas trennt. Ihr Hauptanliegen war die Aufhebung der Blockade und das Recht auf Rückkehr. Der friedliche Protest, Great March of Return genannt, wurde von Israel in ein blutiges Gemetzel verwandelt. Der willkürliche Beschuss der israelischen Truppen tötete 200 Menschen, darunter viele Kinder, und verletzte mehr als 29.000 Palästinenser, oft so schwer, dass sie ein Leben lang körperlich behindert bleiben. Aufgrund der hohen Opferzahlen musste der gewaltlose Protest eingestellt werden. Die regelmäßige und massive Gewalt gegen die Protestierenden wurde von großen Teilen der internationalen Gemeinschaft ignoriert und blieb für Israel ohne Konsequenzen.

„Rasenmähen“, „Unkraut“ – Taktik der Vernichtung

Im Jahr 2021 führten palästinensische Proteste – bekannt als die dritte Intifada – gegen israelische Übergriffe und illegale Enteignungen zu einer erneuten Militäroffensive Israels. Die eingesetzte Strategie, die von Israel als „Rasenmähen“ bezeichnet wird, sollte die als „Unkraut“ angesehene palästinensische Bevölkerung zur Aufgabe ihres Widerstands bringen, ohne ihnen eine langfristige politische Lösung zu bieten. Die massive Gewalt und rücksichtslose Tötung von Zivilisten entsprach der Taktik, die Israel 2006 im Libanon-Krieg formulierte und seitdem unter dem Namen Dahiya-Doktrin anwendet. Diese besagt, dass extreme, disproportionale Gewalt und der gezielte Angriff auf Zivilisten und zivile Infrastruktur gerechtfertigt seien.

Koloniale Fremdherrschaft

Für die Palästinenser bleibt ein menschenwürdiges Leben unerreichbar, die Unterdrückung geht weiter, und die Mauer symbolisiert die koloniale Fremdherrschaft. Seit 2015 verabschiedete die UN mehr als 140 Resolutionen in denen Israels völkerrechtswidriges Verhalten kritisiert wird – mehr als doppelt so viele, wie gegen alle anderen Staaten in der gleichen Zeit zusammen. Israel interessiert dies nicht, genauso wenig wie die USA und den Westen, der sich selbst als “zivilisiert” bezeichnet. Sie unterstützen und finanzieren die Besatzung. Wo vorher palästinensische Häuser standen, gibt es heute israelische Siedlungen, die auf den Trümmern dieser Gebäude errichtet wurden.

Permanente Dämonisierung der Palästinenser

Rund 10 % der palästinensischen Bevölkerung lebt noch in ihrem angestammten Gebiet innerhalb der sogenannten „grünen Linie“. Dies ist das Gebiet, das ihnen durch die völkerrechtswidrige Resolution 181 entzogen wurde. Der IGH stellte 2004 fest, dass die Resolution 181 nie umgesetzt wurde, da die palästinensische Bevölkerung die Gründung eines Zwei-Klassen-Staates ablehnte. Die permanente Entmenschlichung und Dämonisierung der palästinensischen Bevölkerung in allen Kontexten der israelischen Gesellschaft hat zur Folge, dass von der großen Mehrheit der Israelis inzwischen selbst die Misshandlung oder Tötung palästinensischer Gefangener als gerechtfertigt angesehen wird. Menschenfeindliche Ideologien, wie sie einst von Minderheiten, wie dem verurteilten Terroristen Meir Kahane vertreten wurden, sind längst fester Bestandteil der heutigen israelischen Regierung und Bevölkerung. Übergriffe gegen Muslime an heiligen Orten, wo Parolen wie “Tod den Arabern” gerufen werden, sind schon lange kein Einzelfall mehr. 

Tödliche Jahre

Seit Beginn der Blockade führte Israel fünf große Militärangriffe auf Gaza durch (2008, 2012, 2014, 2021, 2023 bis heute). Die Bombardierungen und die Invasionen töteten tausende unschuldige Menschen, zerstörten hunderttausende Wohnhäuser, machten hunderttausende Menschen obdachlos. Eine ganze Generation in Gaza kennt nichts anderes als israelischen Bombenterror. Die Traumatisierung von Kindern und Erwachsenen nimmt kein Ende. Eine politisch nachhaltige Lösung und eine Verbesserung der humanitären Lage bleiben aus. Die Jahre 2022 und 2023 (bereits vor Oktober) gehörten zu den tödlichsten für Palästinenser seit der zweiten Intifada. Diese Bedingungen sind der Grund dafür, dass sich die Menschen in Palästina gegen die Besatzung und den Terror des Siedlerstaates zur Wehr setzen.