Nein zum IZH Verbot! Verteidigen wir gemeinsam unsere Grundrechte!

Vergangene Woche hat das Bundesinnenministerium unter Leitung von Nancy Fieser (SPD) mehrere schiitische Gemeinden und Einrichtungen in ganz Deutschland verboten. Im Fokus stand dabei das Islamische Zentrum Hamburg (IZH), dem Verbindungen zu staatlichen Stellen im Iran und zu schiitischen Kräften im Libanon vorgeworfen werden.

Als Kufiya Netzwerk haben wir uns gegründet, um gegen die Angriffe, die im Zusammenhang mit Palästina auf unser aller demokratischen Grundrechte durchgeführt werden, zu kämpfen. Daher verurteilen wir auch das IZH-Verbot aus folgenden Gründen entschieden:

1. Es reiht sich ein in eine Reihe von Vereins- und Betätigungsverboten, die seit Oktober 2023 gegen Organisationen forciert werden, die sich in verschiedenen Formen für die Interessen der Palästinenser einsetzen. Dabei dienen stets dieselben haltlosen Vorwürfe: Antisemitismus, Terrorunterstützung, Störung der Völkerverständigung usw.

2. Außerdem ist es ein dezidiert islamfeindlicher Akt, auch wenn Faeser das leugnet. Jeder staatliche Angriff auf Muslime und Moscheen ist im Kontext des seit 2001 in diesem Land grassierenden und von staatlichen Stellen, Leitmedien usw. angefeuerten antimuslimischen Rassismus’ zu sehen.

3. Und nicht zuletzt handelt es sich um einen krassen Eingriff in die Religionsfreiheit. Denn hier wurde nicht einfach irgendeine sich islamisch nennende Kleingruppe verboten, sondern mehrere Religionsgemeinschaften, die hunderte oder tausende Gläubige vereinten.

Wir wissen, dass die Repressionsbehörden bei jedem Verbot immer auch darauf setzen, die palästinasolidarische Bewegung sowie weitere demokratische, internationalistische und Friedenskräfte zu spalten. Dem erteilen wir eine Absage: Unsere Solidarität ist unsere stärkste Waffe gegen ihre Repression, ihre Willkür und ihre Propaganda!

Versammlungs-Leitfäden

Wir haben einige Leitfäden rund um das Thema Versammlungen erstellt.

Hier der Link.

Es geht um Anmeldung, Kooperationsgespräch, Auflagen, Verbot, Eilverfahren, Ordner.

Sie sind als praktische Hilfestellung gedacht und sollen dabei helfen, Versammlungen zu organisieren und unsere Grundrechte durchzusetzen. Wir wollen diese Leitfäden nach und nach weiter entwickeln.

Schaut euch gerne die Leitfäden an und gebt uns Rückmeldung an unsere Emailadresse.

From the River to the Sea – Hausdurchsuchungen trotz gegenteiligem Gerichtsurteil!

Sieg vor Landesgericht Mannheim: „From the River to the Sea – Palestine will be Free” ist legitime Meinungsäußerung!

Zeitgleich: BKA durchsucht Wohnungen von Personen, die den Ausspruch online verwendet haben sollen!

Zunächst ein Sieg: Ein weiteres Gericht hat ein bedeutendes Urteil zum Spruch „From the River to the Sea – Palestine will be Free“ (FTRTTS) gefällt. Ein Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Karlsruhe gegen einen Palästinenser wurde abgelehnt. Er hatte auf einer Demo am 21.05.23 den Spruch FTRTTS auf einem Schild getragen, was aus Sicht der Staatsanwaltschaft den Tatbestand „Verwenden von Kennzeichen terroristischer Organisationen“ erfülle. FTRTTS sei eine Parole der Hamas. Das hat das Landgericht Mannheim als unbegründet bestätigt: Die Parole ist nach Ansicht des Gerichts nicht der Hamas zuzuordnen und von der Meinungsfreiheit gedeckt. Am Ende dieses Posts findet ihr Details zum Urteil.

Während wir von diesem Urteil erfuhren, mussten wir uns gleichzeitig aber mit der anhaltenden, absurden Kriminalisierung des Ausspruchs befassen: Bundesweit gab es gestern Hausdurchsuchungen bei Personen, denen zugeordnet wird, die Parole online gepostet zu haben. Das Bundeskriminalamt (BKA) bezeichnet den Ausspruch als „antisemitisch“ und Ausdruck von „Hasskriminalität“.Der Ausspruch wird in eine Reihe mit faschistischen Aussprüchen gestellt, aufgrund derer ebenfalls Hausdurchsuchungen stattfanden. 70 Wohnungen wurden auf Befehl des Bundeskriminalamts im Rahmen eines „bundesweiten Aktionstag gegen Hass und Hetze“ durchsucht und die Parole FTRTTS in diesem Zuge als antisemitische Äußerung und Kennzeichen terroristischer Organisationen gebrandmarkt. Wie viele Wohnungen in Zusammenhang mit Aktivitäten zu Palästina durchsucht wurden, ist aktuell noch unbekannt. Wir wissen aktuell nur gesichert von Hausdurchsuchungen in Frankfurt (siehe Instagram-Post von @freepalestine_ffm) und in Hamburg (siehe Instagram-Post von @thawra_hamburg), beides wegen der alleinigen Verwendung der Parole. Falls ihr von weiteren Hausdurchsuchungen wisst, meldet euch bitte bei dem ELSC oder bei uns vom Kufiya Netzwerk! Wir sammeln die Fälle zur Aufarbeitung und können bei Bedarf Anwälte vermitteln.

Die kriminalisierte Parole diente also einmal mehr als Vorwand, um Wohnungen von Palästina-Aktivist:innen durchsuchen zu können. Die Exekutive in diesem Land ignoriert Gerichtsurteile zur Rechtmäßigkeit von Protest und Solidarität für Palästina so lange, wie nur möglich – teilweise unter explizitem Bruch von geltendem Recht. Das sehen wir nicht nur bei FTRTTS. Wir müssen also auch trotz des Urteils in Mannheim weiter mit willkürlichen Anzeigen zu FTRTTS rechnen, aber rechtskräftige Verurteilungen dazu werden immer unwahrscheinlicher. Bisher gab es bundesweit keine einzige! Das Urteil des Landgerichts ist eine Entscheidung in einem spezifischen Einzelfall, aber dieses Urteil hat Gewicht und kann bundesweit jetzt als Verweis in anderen laufenden Prozessen dienen.

Das Urteil zeigt, dass ihre Kriminalisierung rechtlich auf tönernen Füßen steht! Die Legalisierung von FTRTTS ist mit dem Urteil noch lange nicht Realität, aber wieder ein Stück näher gerückt!

Wir haben das Gerichtsurteil des Landgericht Mannheim mit der Erlaubnis des Betroffenen anonymisiert hier hochgeladen, damit sich jeder selbst damit vertraut machen kann.

Hier zusammengefasst die wichtigsten Gründe, weshalb das Gericht FTRTTS nicht als Kennzeichen terroristischer Organisationen ansieht:

  1. Die Parole ist nicht der Hamas zuzuordnen:
    • Die Parole sei ein „Ausdruck einer politischen Gesinnung“ und zielte bei seiner Entstehung nach Ansicht des Gerichts „auf die Errichtung eines säkularen, demokratischen und egalitären Staates in ganz Palästina ab, in dem die Juden volle Gleichberechtigung genießen sollten, aber ohne die Privilegien des Zionismus“. Wegen seiner politischen Offenheit könne sich heute praktisch jeder Palästinenser und Unterstützer der palästinensischen Sache mit dem Spruch identifizieren. Mit dem Spruch an sich sei keine bestimmte politische Vorstellung hinsichtlich der Befreiung Palästinas verbunden. (S. 4-5)
    • Die Hamas verwendet den Spruch in dieser Form weder in seiner Charta von 1988 noch von 2017. Das Gericht sieht es als unerwiesen an, dass die Hamas den Spruch überhaupt irgendwo als Parole, als „motivierenden Leitspruch“ verwendet hat. (S. 7)
  2. Die Parole ist mindestens in diesem Einzelfall von der Meinungsfreiheit gedeckt:
    • Selbst wenn der Ausspruch als Kennzeichen einer verbotenen Organisation verwendet wird, aber in einer Weise, „dass es nicht ausschließlich auf die verbotene Vereinigung hinweist, sondern einen anderen Sachverhalt zum Gegenstand z.B. der öffentlichen Meinungsbildung machen soll, kann wegen des hohen Stellenwerts von Art. 5 GG ebenfalls die Sozialadäquanzklausel greifen“. (S. 9)
    • Das Gericht betont unter Verweis auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs darauf, dass bei verbotenen, aber mehrdeutigen Kennzeichen, „der mit dem Gebrauch des Kennzeichens verbundene Aussagegehalt anhand aller maßgeblichen Umstände des Falles ermittelt“ werden muss (S. 12).
    • Beim Versammlungsgeschehen der Nakba-Demo in Mannheim habe „jeglicher Bezug zur HAMAS sowie Anhaltpunkte für die Verwendung des Ausspruchs zu deren Unterstützung“ gefehlt (S. 10). Im Kontext der Nakba-Demo sollte mit dem Ausspruch nach Ansicht des Gerichts auf „die Situation der bis heute fehlenden Autonomie Palästinas zum Gegenstand der öffentlichen Meinungsbildung gemacht werden, was durch Art. 5 Abs. 1 GG bzw. die auch der Verwirklichung dieser Grundrechte dienende Sozialadäquanzklausel gedeckt ist.“ (S. 11)
    • Das Landgericht weist zudem darauf hin, dass „wegen der Anknüpfung des Verbots der spezifischen Parole an eine politische Meinung bereits erhebliche Zweifel erhoben worden sind, ob das Verbot mit Art. 5 Abs. 1 GG vereinbar ist und nicht auch gegen die staatliche Neutralitätspflicht und das Diskriminierungsverbot verstößt.“ (S. 7)

Bericht über die Repression gegen Duisburger Palästina-Aktivisten

Am 16.05.24 um 6 bzw. 7 Uhr, wurden in Duisburg die Wohnungen von vier Palästina-Aktivistinnen und -Aktivisten durchsucht. Im Fokus dieser Repressionsmaßnahme stand die Gruppe Palästina-Solidarität Duisburg (PSDU). Das NRW-Innenministerium hatte die Gruppe zuvor verboten. Zudem wurde gegen einen der Betroffenen Strafanzeige gestellt und eine Erkennungsdienstliche Behandlung wurde angekündigt. Ziel war es, PSDU zu zerschlagen, indem Gelder, Laptops, Handys, Infomaterialien usw. beschlagnahmt wurden.

Fragliches Vorgehen der Behörden

Die Durchsuchungen dauerten zwischen zwei und sechs Stunden. Bei einem palästinensischen Betroffenen drangen die Beamten in die Wohnung ein, ohne zuvor zu klingeln. Bei allen Betroffenen wurden sämtliche Zimmer — auch die von Eltern, Kleinkindern und Mitbewohnern — durchsucht. Die Betroffenen wurden dabei nicht über ihr Recht aufgeklärt, bei der Durchsuchung dabei sein zu dürfen. Stattdessen wurden sie jeweils angewiesen, im Wohnzimmer sitzen zu bleiben, und unter Bewachung gestellt. Als einer der Betroffenen sein Recht einforderte, bei der Durchsuchung aller Zimmer dabei sein zu dürfen, weshalb diese nacheinander zu durchsuchen seien, lehnten die Beamten dies ab: Man wolle „nicht den ganzen Tag“ dort bleiben.

Die Polizei brachte zu den verschiedenen Orten „unabhängige Zeugen“, u. a. vom LKA (also selbst Polizei), dem Ordnungsamt und der Feuerwehr, mit. Einer der Betroffenen verlangte, einen eigenen Zeugen benennen zu können, was die Beamten mit dem Verweis auf ihre „unabhängigen“ Zeugen zurückwiesen.

Bei der Durchsuchung kam es zur üblichen Mischung aus Einschüchterung, Freundlichkeit und Lügen vonseiten der Polizei: Über Plaudereien über die schöne Wohnung wollte man die Betroffenen in Sicherheit wiegen und zum „Quatschen“ anregen. Manche Beamte behaupteten sogar, dass sie eigentlich auch „für Palästina“ wären. Überall wurde betont, dass man nichts dafür könne, die Vorwürfe konkret nicht kenne und nur Befehle ausführe.

Auf der anderen Seite wurden alle Betroffenen unter Druck gesetzt, Passwörter für konfiszierte Geräte herauszugeben, wobei auch Notsituationen (wie etwa anstehende Prüfungen) als Druckmittel genutzt wurden, indem behauptet wurde, dass die Geräte so in kurzer Zeit zurückgegeben würden. Mindestens ein betroffener wurde „unschuldig“ gefragt, ob sein Handy mit Face-ID gesperrt sei – es ist bekannt, dass die Polizei Leute dazu zwingt, ihr Gesicht vor die Kamera zu halten, um sich so einzuloggen. Auch nach „Mitgliederlisten“ wurde „ganz nebenbei“ gefragt. Bei der Durchsuchung des Schlafzimmers eines betroffenen Ehepaars wurde mehrfach lauthals gelacht, während die Beamten in privateste und intimste Sphären der Betroffenen eindrangen. Bei einer anderen Durchsuchung drangen die Polizisten sofort in die Wohnung und u. a. in das Schlafzimmer der Eltern ein, wo sich die teilweise noch unbekleidete Mutter der Betroffenen befand. Einem dritten Betroffenen wurde von einem Beamten vorgeworfen, Straftaten zu begehen, obwohl die betreffende Person weder vorbestraft noch rechtskräftig verurteilt ist. Außerdem fragte derselbe Polizist während der Sichtung von Infomaterialien provokant, wieso es denn „nichts zum 7. Oktober“ gäbe. Der Polizist führte damit die von den meisten seiner Kollegen zur Schau getragene „Neutralität“ ad absurdum und bewies, dass die Beamten selbst mindestens zum Teil stark von der herrschenden antipalästinensischen Propaganda geprägt sind. Wiederum andere Beamte erzählten ganz offen, dass sie an diesem Morgen Witze gemacht hätten, dass es ja auch Duisburger Polizeibeamte gewesen waren, die den Berliner Palästina-Kongress zerschlagen hatten — und dass sie nun zu einer ähnlichen Aktion ausrückten.

Außerdem wurde einem der Betroffenen, der sich weigerte, irgendetwas zu unterschreiben, fälschlicherweise erzählt, dass „alle drei anderen“ unterzeichnet hätten, um ihn dazu zu bewegen, doch seine Unterschrift herzugeben.

Bei mindestens zwei Betroffenen waren Medien vor Ort, die zum Teil die Häuser sowie Verwandte und Bekannte abfilmten. Auch die Adressen wurden von den Medien zum Teil öffentlich bekanntgegeben. Woher die Medien wussten, wo genau die Razzien stattfanden, konnten oder wollten die Beamten nicht mitteilen. Sie verwiesen auf Nachfrage auf angeblich unbekannte Informanten in ihren eigenen Reihen, gaben sich selbst genervt von den Kamera-Teams und mutmaßten, die Medien (konkret der WDR) könnten womöglich regelmäßig den Polizeifunk abhören, um an solche Infos zu kommen.

Was kam bei rum?

Das Ergebnis der großangelegten Durchsuchung: Die Beamten beschlagnahmten eine mittlere fünfstellige Zahl an Flyern und Stickern sowie ein paar Plakate mit Aufschriften wie „Free Palestine“ oder aufgedruckten Palästinaflaggen, Wassermelonen usw. Außerdem etwa zwei Dutzend Palästina-Fahnen, mehrere Kufiyas, mehrere Handvoll Buttons und Pins, ein paar Armbänder, mehrere Bücher, eine Lautsprecheranlage, einen Pavillon, ein Megafon, mehrere selbstgebastelte Spendendosen usw., die zum Teil privates Eigentum der Betroffenen oder auch von unbeteiligten Dritten sind. Daneben nahmen sie sowohl privates als auch als Spenden für PSDU gesammeltes Geld mit. Und sie entwendeten private Laptops, Handys sowie USB-Sticks und MP3-Player. Außerdem wurden Handys und Festplatten von Ehepartnern und anderen zufällig anwesenden Verwandten von den Polizisten mitgenommen. Weder wurden Waffen noch Rauschgift noch Sprengstoff noch andere illegale Gegenstände oder Substanzen gefunden. In einer der Wohnungen wurde auf Befehl von „ganz Oben“ sogar ein Spürhund eingesetzt — ohne Ergebnis.

Der Kontext und das Ziel

Es handelt sich weder um die ersten Hausdurchsuchungen noch die ersten Verbotsverfügungen gegen palästinasolidarische Menschen und Gruppen in Deutschland in den letzten sieben Monaten: Im November wurde das internationale Gefangenensolidaritätsnetzwerk Samidoun in Deutschland verboten — die Genossen kämpfen bis heute juristisch gegen dieses Verbot. Im Zuge dieses Verbots kam es zu mehreren Durchsuchungen. Am selben Tag wurde auch ein Betätigungsverbot für die Hamas erlassen und es wurden Wohnungen von Menschen durchsucht, die der Hamas angeblich „nahestehen“. Auch in der Folgezeit kam es in Deutschland, vor allem in Berlin, immer wieder zu Razzien gegen Palästina-Aktivistinnen und -Aktivisten, vor allem im Vorfeld des von der Polizei und der Stadt Berlin verbotenen und aufgelösten Palästina-Kongresses. Diese dienten offensichtlich vor allem der Einschüchterung.

Gegen die Gruppe PSDU läuft seit ihrer Gründung vor ziemlich genau einem Jahr eine Hetzkampagne, die von dem rassistischen Online-Blog Ruhrbarone angestoßen wurde. Dieser wirft PSDU u. a. Antisemitismus und „Terror-Unterstützung“ vor. Im Oktober wurde diese Kampagne von Teilen der deutschen Leitmedien (WDR, WAZ, Springer-Presse) aufgenommen. Außerdem stellten die Behörden mehrfach Strafanzeige gegen mehrere PSDU-Aktivisten, bisher ohne Erfolg. Die Behauptung, PSDU sei antisemitisch und richte sich gegen die „Völkerverständigung“, wie es in der Begründung des NRW-Innenministeriums heißt, wird durch verschiedene schriftliche und mündliche Äußerungen der Gruppe widerlegt. All das ist natürlich im Kontext der allgemeinen Repression gegen die Palästinasolidaritätsbewegung in Deutschland zu sehen, die seit Oktober immer absurdere Züge angenommen hat.

Das PSDU-Verbot ist nur ein weiterer Schlag gegen die Bewegung für Palästina in Deutschland. Und es ist ein weiterer Anschlag auf die demokratischen Grundrechte aller auf freie Meinungsäußerung und Organisierung. PSDU hat nichts gemacht, außer legale Versammlungen zu organisieren, Informationen und Bildung in Form von Flyern, Infomaterial, Dokumentationen und Lesekreisen zu verbreiten und die Meinung zu kundzutun, dass die Palästinenser ein Recht haben, in ihrem Land frei von Unterdrückung, Apartheid, Besatzung und Kolonialismus zu leben. Und dass sie das völkerrechtlich verbriefte Recht haben, sich gegen Unterdrückung, Apartheid, Besatzung und Kolonialismus zu wehren. Da ein Organisationsverbot auch das Verbot einer „Ersatzorganisation“ einschließt, wird allen PSDU-Aktiven nun faktisch ihr Grundrecht verwehrt, sich für ihre Meinung im Sinne Palästinas frei zu äußern und dafür auch mit anderen zusammenzuschließen. Es handelt sich um reine Willkür, die letztlich nicht nur alle palästinasolidarischen Gruppen, sondern überhaupt alle Organisationen und Vereine treffen kann, die der in diesem Land herrschenden Politik gegenüber kritisch auftreten.

Es liegt zudem der Verdacht nahe, dass die heutigen Hausdurchsuchungen im Zusammenhang mit dem gestern gegen NRW-Innenminister Reul bekanntgewordenen Korruptionsverdacht zusammenhängen. Dass Politiker in Situationen, in denen sie unter Beschuss stehen, zu symbolträchtigem Aktionismus greifen, ist bekannt. Ein gegen vermeintliche „Hamas-Unterstützer“ inszenierter „Schlag“ ist eine tolle Ablenkung. Dieser Verdacht liegt auch deshalb nahe, weil die Verbotsverfügung gegen PSDU bereits auf den 18. März datiert ist. Der Hausdurchsuchungsbefehl wegen der hinzukommenden Strafanzeige gegen einen der Betroffenen ist ebenfalls schon rund einen Monat alt. Sie lagen also in der Schublade und brauchten nur hervorgezaubert zu werden, sobald sich ein Anlass oder eine Notwendigkeit ergab. Umso absurder ist die Behauptung in der Verbotsverfügung, dass das PSDU-Verbot „unverzüglich“ zu erfolgen habe, weil die Gruppe angeblich den „öffentlichen Frieden“ gefährde. Gefahr im Verzug — aber dann zwei Monate abwarten?

Wie geht es weiter?

Die Betroffenen werden alle rechtlichen Schritte einleiten, um im Nachhinein gegen die Hausdurchsuchungen sowie gegen die Verbotsverfügung gegen PSDU vorzugehen. Ebenfalls prüfen die Betroffenen rechtliche Schritte gegen die Darstellung durch Politik und Medien als „Antisemiten“, „Hamas-Unterstützer“ usw. Auch was die Strafanzeige und die Erkennungsdienstliche Behandlung angeht, stehen sie bereits mit Anwälten in Kontakt.

Es gibt schon mehrere öffentliche Solidaritätserklärungen und es wurden Protestaktionen angekündigt. Bereits während der Durchsuchungen versammelten sich Freunde, Verwandte und Mitstreiter der Betroffenen vor den Gebäuden, um ihre Solidarität auszudrücken und den Betroffenen beizustehen.

Die Internet-Accounts von PSDU dürfen nicht mehr bespielt werden, solange die Gruppe als „verboten“ gilt. Die Betroffenen können sich derzeit daher nur als Einzelpersonen an die Öffentlichkeit wenden und sind auf die Unterstützung und die Reichweite anderer Gruppen sowie Medien angewiesen, um sich zum Vorfalle zu äußern und über die Entwicklung aufzuklären.

Mindestens einer der Betroffenen hat heute eine Verfügung der Polizei bekommen, die es ihm verbietet, an einer Kundgebung gegen das PSDU-Verbot teilzunehmen. Außerdem wurde von NRW-Innenminister Reul angekündigt, eine Demonstration, die für den 25. Mai 2024 in Duisburg geplant ist, zu verbieten. Diese Demonstration wurde aber nicht von PSDU organisiert, die Gruppe hat lediglich, wie zahlreiche Gruppen aus NRW, zu dieser Demo aufgerufen. Auch hier steht der juristische Kampf noch aus.

Die Missachtung der Kinderrechte der Palästinenser und die menschenrechtswidrige Inhaftierung von Minderjährigen

Die Missachtung der Kinderrechte ist ein akutes Symptom des Apartheid Regimes Israels in den besetzten Gebieten Palästinas. 

Palästinensische Kinder besitzen nicht die gleichen Rechte, die für israelische Kinder im selben Gebiet gelten. Eines dieser Rechte sind Zivilrechte. Stattdessen werden palästinensische Kinder unter Militärrecht verurteilt und hiermit wie Soldaten behandelt. Ihr Alter wird hierbei missachtet.

Das Diskriminierungsverbot spielt in dem Fall auch keine Rolle, da es durch den Besatzungsstatus ungültig ist.

Die Konditionen in den besetzten Gebieten, bewaffnete Auseinandersetzungen und Verhaftungen führen zu einer instabilen, beraubten Kindheit, die diesen Kindern aufgrund ihrer Identität entnommen wird.

Je nach Ort bestehen auch Wasser- und Lebensmittelmängel durch die Besatzung. Zugang für Hilfsorganisationen wird zum Teil auch aktiv blockiert.

In Bezug auf gesundheitliche Missachtungen fand die Kinderrechtsorganisation Humanium, dass es Fälle gab, in denen Kinder nicht ins Krankenhaus gebracht werden konnten, durch die Kontrollpunkte, die ihnen das Durchqueren mit ihren Familien verhinderte. 

Ähnlich sieht man Missachtungen der Bildungsrechte von palästinensischen Kindern, die durch die Verhinderung des Durchqueren der Kontrollpunkte gefördert werden. Alltäglich werden Kinder physisch und psychisch davon abgehalten, zur Schule zu gehen, was in manchen Fällen zum Schulabbruch von Kindern führt, die durch Angst von Soldaten gefördert wird.

Gegen diese Maßnahmen zu demonstrieren ist jedoch keine Option, da, wie Erwachsene, Kindern und Jugendlichen verboten wird, an Protesten teilzunehmen, was in Ost-Jerusalem durch Gesetze zur öffentlichen Ordnung und in der Westbank durch Militäranordnungen durchgesetzt wird.  

Palästinensische Kinder sind auch bei bewaffneten Konflikten nicht geschützt. Laut der Human Rights Watch Organisation wurden vom 30. März bis November 2019 31 Kinder vom israelischen Militär erschossen. In 2023 berichtet die DCI von 121 Kindern, die durch Siedler und israelisches Militär in der Westbank ermordet wurden, hiervon 81 seit dem 7. Oktober. 11 der Leichen werden bisher noch von der israelischen Besatzung abgehalten. Die Zahlen deuten auf eine klare Eskalation, die selbst Minderjährige nicht schont.

Bei Festnahme unter dem militärischen Gesetz bekommen die festgenommenen Kinder oftmals während des Gehörs keinen Rechtsbeistand und der Kontakt zu ihren Eltern wird ihnen verboten. Kinder kriegen i. d. R auch keine Dolmetscher, aufgrund dessen, dass sie als Terroristen betrachtet werden. Durch psychische und körperliche Gewalt werden Geständnisse erzwungen.

Laut der DCI werden jährlich 500-700 Kinder in den israelischen Militärgerichten verurteilt. Laut des israelischen ‘Justizvollzugs’ wurden seit 2012 im Durchschnitt monatlich 217 Kinder festgenommen. Das sind ca. 30.528 Kinder in den letzten 12 Jahren. In den meisten Fällen wird den Kindern und ihren Familien kein Grund für die Verhaftungen offenbart, es wird ihnen nicht gesagt, wo sie hingebracht werden.

Seit dem 7. Oktober stieg die Missachtung der Kinderrechte in den besetzten Gebieten an und wird hierdurch instrumentalisiert. Vom 7. Oktober 2023 bis März 2024 berichtet die Commission of Detainees Affairs von ca. 9000 Menschen in den besetzten Gebieten verhaftet, hiervon sind 500 Minderjährige in der Westbank.

Amnesty International berichtet von einer eindeutigen Eskalation in der Westbank, die den Alltag von Kindern umso mehr beeinträchtigt, sei dies durch Einstürmen der israelischen Militär in die Flüchtlingslager, in die Familienhäuser, tag oder nachts, durch die Zerstörung der Infrastrukturen, oder durch die Hinrichtung und Festnahme der Nachbarn, Familienmitglieder oder der Kinder selbst.

Die Missachtung der Kinderrechte ist kein neues Phänomen, es wurde durch den 7. Oktober nur umso mehr eskaliert. Palästinensische Kinder haben genauso das Recht auf eine normale Kindheit wie jedes andere Kind, dies wird ihnen durch die Besatzung jedoch entnommen. 

The disregard for children’s rights of Palestinians and the detention of minors in violation of human rights

The disregard for children’s rights is an acute symptom of Israel’s apartheid regime in the occupied territories of Palestine. 

Palestinian children do not have the same rights as Israeli children in the same territory. One of these rights is civil rights. Instead, Palestinian children are sentenced under military law and thus treated like soldiers. Their age is disregarded.

The prohibition of discrimination is also irrelevant in this case, as it is invalid due to the occupation status.

The conditions in the occupied territories, armed conflicts and arrests lead to an unstable, deprived childhood, which is taken away from these children because of their identity.

Depending on the location, there are also water and food shortages due to the occupation. Access for aid organizations is sometimes actively blocked.

In terms of health violations, the children’s rights organization Humanium found that there were cases where children could not be taken to hospital due to the checkpoints preventing them from crossing with their families. 

Similarly, the educational rights of Palestinian children are being violated by preventing them from crossing checkpoints. On a daily basis, children are physically and psychologically prevented from going to school, leading in some cases to children dropping out of school, which is encouraged by the fear of the Israeli soldiers.

However, protesting against these measures is not an option as, like adults, children and young people are prohibited from participating in protests, which is enforced in East Jerusalem through public order laws and in the West Bank through military orders.  

Palestinian children are also not protected during armed conflicts. According to the Human Rights Watch Organization, 31 children were shot by the Israeli military between 30 March and November 2019. 

In 2023, the DCI reports 121 children murdered by settlers and the Israeli military in the West Bank, 81 of them since October 7. 11 of the bodies are still being held by the Israeli occupation. The numbers point to a clear escalation that does not spare minors.

When children are arrested under military law, they are often not given legal counsel during the hearing and are forbidden contact with their parents. Children are also generally not given interpreters because they are regarded as terrorists. Confessions are forced through psychological and physical violence.

According to the DCI, 500-700 children are sentenced in Israeli military courts every year. According to Israel’s ‘justice system’, an average of 217 children have been arrested every month since 2012. That is approximately 30,528 children in the last 12 years. In most cases, the children and their families are not told the reason for the arrests, they are not told where they are being taken.

Since 7 October, the disregard for children’s rights in the occupied territories has increased and is being instrumentalized. From October 7, 2023 to March 2024, the Commission of Detainees Affairs reports approximately 9000 people arrested in the occupied territories, 500 of whom are minors in the West Bank.

Amnesty International reports a clear escalation in the West Bank, which affects the daily lives of children all the more, be it through Israeli military incursions into refugee camps, into family homes, day or night, through the destruction of infrastructure, or through the execution and arrest of neighbors, family members or the children themselves.

The disregard for children’s rights is not a new phenomenon, it was only escalated by October 7. Palestinian children have just as much right to a normal childhood as any other child, but this is being taken away from them by the occupation.

Quellen/Sources: